Der Bagger stand schon fast vor der Tür - da gründeten in letzter Minute engagierte Bürger um den Initiator Rolf Schorp einen Förderverein, um ein aus dem Jahr 1779 stammendes Haus vor dem Abriss zu bewahren. Dieses Gebäude hatte im Laufe seiner langen Geschichte verschiedene Funktionen im Ort (13 unterschiedliche Funktionen sind nachgewiesen), zuletzt allerdings keine ortstypische Identität mehr. Deshalb beschloss der Gemeinderat im Februar 2003 zunächst den Abriss des gemeindeeigenen Gebäudes, weil die Erhaltungskosten zu groß gewesen wären. Für den Abriss standen öffentliche Mittel zur Verfügung. Dann wechselte der Bürgermeister, der Abriss verzögerte sich und im März 2005 entschied schließlich der Gemeinderat Starzach unter dem neuen Bürgermeister Thomas Noé, das Haus zu erhalten, vorausgesetzt, der Zuschuss vom Regierungspräsidium würde entsprechend umgewidmet. Dies geschah – und nun konnte im Zentrum des Dorfes das Dorfmuseum „Kulturtankstelle“ im historischen Gemäuer errichtet werden.
Dem Engagement einer Handvoll ehrenamtlicher Helfer, die in fast 2500 freiwilligen Arbeitsstunden und mit viel „Herzblut“, das Haus saniert und renoviert haben, ist es zu verdanken, dass dieses schöne Gebäude erhalten und seiner Würde zugeführt wurde, die es aufgrund seiner multifunktionalen Nutzung in der Vergangenheit und seiner zentralen Lage im Dorfkern verdient hat. Das Projekt ist ein klassisches Beispiel, was mit Ideen, Beharrlichkeit und Gestaltungskraft im Rahmen eines bürgerschaftlichen Engagements erreicht werden kann.
Zu den Aufgaben des Fördervereins gehören der Betrieb und die Unterhaltung einer gemeinnützigen, der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtung (Dorfmuseum Kulturtankstelle) im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien- und Bildungszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt. Im weitesten Sinne handelt es sich dabei um die Förderung des örtlichen Kulturgutes. Basis der Arbeit stellen „Habseligkeiten aus dem früheren Lebensalltag“ dar, die im Dorfmuseum „Kulturtankstelle“ ausgestellt sind.
Das neuartige, minimalistische Konzept wurde von 12 Studentinnen der Empirischen Kulturwissenschaften des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen im Rahmen eines Projektseminars unter der Leitung von Eckart Frahm erarbeitet. Das Museum lädt anhand weniger, charakteristischer Alltagsgegenstände die Besucher zum Erleben der früheren Dorfgemeinschaft ein. Bewohner des Dorfes erzählen ihre persönlichen Erinnerungen zu den ausgestellten Gegenständen, und die Besucher können nun im Museum diese Erinnerungen anhören.
Die erzählten Geschichten über das harte (Über-) Leben im Dorf, aber auch das gemeinsame Feiern, werfen ein Licht auf eine Zeit, die noch gar nicht so lange her ist, für uns heutzutage jedoch schon nicht mehr alltäglich erscheint. Die Ausstellungsstücke sind auf Sockeln einzeln präsentiert. Die Informationen zu den ausgestellten Gegenständen befinden sich in den Schubladen der Sockel, so dass die Besucher sich aktiv die Erklärungen aneignen können – gerade Kinder (aber auch Erwachsene) finden das sehr spannend. Diese ungewöhnliche Konzentration auf einige wenige, jedoch repräsentative Gebrauchsgegenstände unterscheidet das Dorfmuseum „Kulturtankstelle“ von anderen Museen und wird sowohl von der Bevölkerung als auch von Fachleuten sehr gelobt und erhielt bereits im Jahr der Gründung den Preis als „Vorbildliches Heimatmuseum“ vom Regierungspräsidium Tübingen.
Durch die Öffnung des Museums und die Gestaltung des Betriebes mit Ehrenamtlichen, die im Rahmen der sonntäglichen Öffnungszeiten von März bis Oktober das Museum bewirtschaften, ist das Dorfmuseum zu einem neuen Treffpunkt der Dorfgemeinschaft geworden. Aber auch Besucher des Ortes und die vorüber ziehenden (Fahrrad-) Touristen im „Neckar-Erlebnis-Tal“ schätzen das Dorfmuseum sowohl als „Kulturtankstelle“ als auch um ihren Durst zu löschen und sich zu stärken – eine Mischung, die ankommt.
Das Dorfmuseum soll eine „Kulturtankstelle“ sein, in der die Besucher Wissen erwerben können, um dann „draußen“ die interessante Ortsgeschichte im Neckartal, in der Landschaft „lesen“ zu können. Für die Bürger von Börstingen bietet das Dorfmuseum auch die Möglichkeit, die Bedeutung und den Wert ihrer eigenen (Lebens-) Geschichte zu erkennen und deren Spuren in der Landschaft zu sehen.