Am 28.08.2014 stand der rote Sessel des Schwäbischen Tagblatts und der Buchhandlung Osiander auf dem Rathausplatz in Börstingen. Gastgeber war der Förderverein Heimat und Kultur in Börstingen e. V. Ein milder Sommerabend empfing die etwa 70 Zuhörer, die gespannt auf die beiden autobiographischen Lesungen warteten. In beiden Büchern ginge es um Aufbruch und um Ankommen, führte Monika Laufenberg in den Abend ein - wie in den meisten Lebensbeschreibungen und wie eigentlich auch im richtigen Leben. Das Spannende sei nun für jeden Menschen der etwas andere Weg zum Ziel – und von zwei solcher Wege werde nun berichtet, so die Vorsitzende des Vereins.

Katja Lohmiller las aus: „Schloss aus Glas“ von Jeanette Walls: Die bitter arme Familie – Vater, Mutter, vier Kinder – zieht nomadenhaft durch die USA, sie leben mal in einer Wohnwagensiedlung, mal in baufälligen Bruchbuden. Immer wieder brechen sie bei Nacht und Nebel auf und ziehen anderswo hin, weil der Vater mal wieder seinen Job verloren oder sich quer zum Gesetz gestellt hat – was er jedoch als gelebte Gesellschaftskritik ausgibt. Der Vater hat hochfliegende Pläne, wie er reich werden und die korrupte Gesellschaft revolutionieren wird. Er verspricht der Familie das Schloss aus Glas und versäuft das gesamte Geld, das er zuweilen mit Gelegenheitsjobs verdient. Die Mutter ist Künstlerin und von erschreckender Gelassenheit den Kindern gegenüber. Andererseits: Noch bevor die Kinder schulpflichtig sind, können sie lesen und schreiben, mathematische Berechnungen anstellen, wissen über physikalische Fragen Bescheid und kennen die Natur besser als alle anderen. Lesen gehört ganz selbstverständlich zum Leben. Eine asoziale Familie, die Bildung, Kunst und Poesie über alles stellt – welch ein Bruch mit den Lesererwartungen!

Die von Katja Lohmiller hierzu klug ausgewählten und eindrucksvoll vorgetragenen Textpassagen spannten den Bogen über das gesamte Buch, welches bei den Zuhörern einen tiefen Eindruck hinterließ.

Michael Dietz war auf dem Sprung in den Urlaub als die Anfrage vom Dorfmuseum „Kulturtankstelle“ kam was er denn lesen wolle. Zur Antwort erhielten die Gastgeber die Aussage, er wäre dann mal weg und wenn er wieder käme, wüsste er, aus welchem Buch er vorlesen würde und: Voila, aus welchem Buch las Michael Dietz vor? „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling. Hape Kerkeling beschreibt die Erlebnisse seiner Pilgerreise nach Santiago de Compostela im Jahr 2001. Auslöser für die Entscheidung, den Jakobsweg zu gehen, waren gesundheitliche Probleme. Kerkeling musste sich wie alle Pilger mit den körperlichen und seelischen Anforderungen einer solchen Reise auseinandersetzen. Er lernte dabei sich selbst und seinen Glauben besser kennen: „Den Jakobsweg schweigend zu gehen, das könne er nur jedem empfehlen“, las Michael Dietz vor. „Irgendwann muss jeder auf dem Weg weinen. Früher oder später erschüttert dieser Weg jeden in seinen Grundfesten“. Michael Dietz wusste als langjähriger Marathonläufer genau, von was Hape Kerkeling schrieb: welche Qualen, aber auch welche Chancen auf langen Wegen liegen und dies wurde so anschaulich und lebendig vorgetragen, dass man fast meinte, Michael Dietz läse aus seiner eigenen Biographie.


Moderatorin Laufenberg fasste zusammen, was sie aus den beiden Büchern mitnahm: „Es ist wichtig, sich auf den Weg zu machen und die Veränderungen in sich festzustellen.“ Laufenberg freute sich, dass man um Kultur erleben zu können, keineswegs in die großen Städte reisen müsse, sondern im Dorf bleiben könne, wie dieser anregende Abend bewies.

Der Förderverein Heimat und Kultur in Börstingen e.V. bewirtete seine Gäste wie immer gekonnt mit Schmalzbroten, Laugengebäck und exquisiter Mostbowle. Heimatliche und wohltuende Klänge ertönten mehrfach von der Blaskapelle des Musikvereins Börstingen und zum Schluss wurde das „Börstinger Heimatlied“ gespielt. Die Spenden-Hüte war entsprechend prall gefüllt: 170,00 € für die Jugendarbeit erfreuten den Musikverein Börstingen.