Schwere Zeiten –
Die Gutenachtgeschichten des Schwäbischen Tagblatts zu Gast in Börstingen

Über 80 interessierte Gäste folgten der Einladung des Schwäbischen Tagblatts und des Fördervereins Heimat und Kultur in Börstingen e.V. zur „Gutenachtgeschichte unterwegs“. Der nun schon weit herumgekommene rote Sessel stand am 2. September im Börstinger Rathaus und wartete ebenso gespannt wie die Gäste auf die Erzähler.

 

Zunächst erinnerten Rolf Schorp und Rosemarie Heumesser an Johannes Kiefer, geboren 1817 in Seebronn, aufgewachsen in Nordstetten, Waisenkind, Theologiestudent, unfreiwilliger Auswanderer, fahrender Musikus, Spielmann, Spötter, Spruchbeutel. Unter dieser Über- bzw. Unterschrift erschien im Dezember 1981 und Januar 1982 in der Südwest-Presse / Neckarchronik eine Beschreibung seines turbulenten Lebens. Er war auch in Börstingen mit seinen Satiren und Balladen, seinen Spott- und Hänselliedern, die seinen Zeitgenossen den Spiegel vorhielten, bekannt. Lorenz Lohmiller, Rosemarie Heumessers Vater, hatte einige dieser Sprüche in seiner Jugend aufgeschnappt, wo sie offenbar schon von den älteren im Dorf rezitiert wurden und konnte sie selbst mit 80 Jahren noch auswendig vortragen – dies war auch der Anlass der Berichte in der Neckarchronik. Seiner Tochter Rosemarie, mit einem ebensolchen Gedächtnis gesegnet, sind die Spottverse bis heute nicht aus dem Kopf gegangen und sie gab diese im Rathaus zum Besten. Rolf Schorp rahmte die lustigen Verse mit der glücklosen Lebensgeschichte Hans Kiefers ein, die traurig im Seebronner Armenhaus 1893 endete: „Kein Kranz soll liegen, wo ich starb, keine Träne fallen, wo ich verdarb, spurlos will ich vergangen sein“ – „Die Mitwelt hat mich nicht verstanden, die Nachwelt soll auch nichts von mir haben.“ Und so warf Hans Kiefer seine Verse in die Flammen.

Auch die zweite Lesung am Abend hatte schwere Zeiten zum Inhalt. Stefanie Striebel las aus John Steinbecks „Früchte des Zorns“. In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, während der Weltwirtschaftskrise in den USA, wurden die durch die wirtschaftliche Depression und Dürrejahre hoch verschuldeten Farmer von den Grundbesitzern vertrieben und waren gezwungen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben, als Wanderarbeiter nach Kalifornien zu ziehen. Statt der versprochenen gut bezahlten Arbeit erwarteten sie dort jedoch Ausbeutung, Hunger und Anfeindung.Tagblatt-Redakteur Jürgen Jonas moderierte kurzweilig den spannenden Abend und dankte dem „BBB“, dem „Berühmten Börstinger Bublikum“ für sein 12,5maliges Applaudieren anlässlich der schwäbischen Artikulations-Akrobatik des Moderators.Der Der Förderverein Heimat und Kultur in Börstingen e.V. bewirtete seine Gäste mit Schmalzbroten, Laugengebäck und Mostbowle. Heimatliche Klänge ertönten mehrfach von der Blaskapelle des Musikvereins Börstingen unter der Leitung von Tony Bechle; zum Schluss wurde das „Börstinger Heimatlied“ gespielt und die Gäste sangen mit. Die Spenden-Hüte war entsprechend prall gefüllt: 216,50 € für die Jugendarbeit erfreuten den Musikverein Börstingen.